Diese verworrenen
Handelsverflechtungen werden als Liefer- oder Wertschöpfungsketten bezeichnet. Ohne sie ist die moderne, globalisierte Welt undenkbar. Bereits Adam Smith wies vor über zweihundert Jahren darauf hin, dass unser Wohlstand maßgeblich auf dieser Arbeitsteilung beruht. Nichtsdestotrotz birgt die just-in-time-
Produktion mit ihren eng-getakteten Zulieferterminen und Liefernetzwerken, die sich über den halben Globus erstrecken, auch Risiken. „Sobald auch nur ein einzelnes Glied in globalen Wertschöpfungsstrukturen fehlt, stockt der ganze Prozess“, meint Barbara Fulda vom Forschungsverbund „Die Ökonomie der Zukunft“.
In den letzten Jahren haben eine Reihe an Krisen unsere Vorstellung, dass alle Produkte jederzeit verfügbar sein müssen, nachhaltig beeinträchtigt. Zu Beginn der Corona-Pandemie sorgte neben vermehrten Borkenkäferbefall in Kanada die Stilllegung von Sägewerken dafür, dass deutsches Holz vermehrt in die USA exportiert wurde und auf dem heimischen Markt zur Mangelware wurde.
Die politischen Verwerfungen infolge des Brexits führten wiederrum zu langen Gesichtern bei britischen
Konsument:innen , da in der EU ansässige Unternehmen ihre Waren aufgrund neuer Grenzbestimmungen nicht rechtzeitig ausliefern konnten – und eine mehrtätige Blockade des Suezkanals resultierte in einem Einbruch des Welthandels, der noch Monate später spürbar war.
All dies wird jedoch vom Krieg in der Ukraine überschattet. Bereits jetzt warnen Expert:innen, dass dieser Konflikt höchstwahrscheinlich eine globale Hungersnot entfachen wird. Nicht nur, dass Russland und die Ukraine für circa 25% der weltweiten Weizenexports verantwortlich sind (3), hinzukommt, dass die Sanktionen gegen Belarus und Russland – Weltmarktführer in der Herstellung industrieller Düngemittel – dazu führen, dass die Sojaproduktion in Südamerika, nicht mehr gesichert ist.
Während also allerlei natürliche und politische Gegebenheiten das reibungslose Funktionieren von
Lieferketten infrage stellen können, hat die zunehmende Undurchsichtigkeit der sozialen Verhältnisse entlang der Wertschöpfungsketten das Bundeskabinett 2021 dazu veranlasst, das Gesetz über die unternehmerische Sorgfalt in Lieferketten zu verabschieden. Das Bundesministerium geht davon aus, dass 79 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten – auch auf den Bananenplantagen, von denen sich unsere Supermärkte beliefern lassen. Zudem hat ein Monitoring der Bundesregierung ergeben, dass bislang nur 20% der deutschen Unternehmen die Vorgaben der unternehmerischen Sorgfaltsplicht erfüllen.
Neben der Einhaltung von Menschenrechten entlang der gesamten Lieferkette müssen zwei weitere Aspekte Berücksichtigung finden, die zwar so nicht im Gesetz verankert sind, in Anbetracht der globalen Heraus
forderungen des 21. Jahrhunderts allerdings immer unabdingbarer werden. Der Klimawandel hat die Notwendigkeit von nachhaltiger und ökologischer Produktion unterstrichen. So sollte unser Bananenverzehr nicht dazu führen, dass die Wasserversorgung in den Produktionsländern in Gefahr gerät, oder der Boden durch Pestizide zerstört wird.
Im Kontext gezielter Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusförderung ist in den letzten Jahren außerdem ein stetig wachsender Katalog an Anforderungen entstanden, der Unternehmen dazu verpflichtet, für klare Geschäftsverhältnisse zu sorgen. Diesen sogenannten Compliance-Anforderungen muss entsprochen werden. Ansonsten drohen empfindliche Geld- oder Freiheitsstrafen, falls sich herausstellen sollte, dass ein Unternehmen beispielsweise im direkten oder indirekten
wirtschaftlichen Kontakt mit sanktionierten russischen Oligarchen oder Terrorismusorganisationen wie der Al-Qaida stehen.